Was ist Radioaktivität?
Begriffserklärung
Radioaktivität (lat. radius ‚Strahl‘ und activus ‚tätig‘, ‚wirksam‘; dt. Strahlungsaktivität) ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne, spontan ionisierende Strahlung auszusenden. Der Kern wandelt sich dabei unter Aussendung von Teilchen in einen anderen Kern um oder ändert unter Energieabgabe seinen Zustand.
Die Bezeichnung wurde 1898 erstmals vom Ehepaar Marie Curie und Pierre Curie für das zwei Jahre vorher von Antoine Henri Becquerel entdeckte Phänomen geprägt. Der Umwandlungsprozess wird auch als radioaktiver Zerfall oder Kernzerfall bezeichnet. Atomsorten mit instabilen Kernen werden Radionuklide genannt.
Die beim Umwandlungsprozess frei werdende Energie wird als Bewegungsenergie ausgesandter Teilchen (meist Alpha- oder Beta-Teilchen) oder als Strahlungsenergie von Gammastrahlung abgegeben. Art und Energiespektrum der Strahlung sind für das jeweilige Radionuklid typisch. Jede dieser Strahlungsarten ist für den Menschen – ebenso wie Höhen- und Röntgenstrahlung – nicht direkt wahrnehmbar und oberhalb einer gewissen Dosis gefährlich. Nach einer für jeden radioaktiven Stoff charakteristischen Zeit, der Halbwertszeit, hat sich dessen Menge halbiert, somit auch seine Aktivität. Die Halbwertszeit kann im Bereich von Sekundenbruchteilen bis hin zu Quadrillionen Jahren liegen.
Radionuklide kommen in der Natur vor. Sie entstehen aber auch z. B. in Kernreaktoren oder durch Kernwaffen-Explosionen. In Teilchenbeschleunigern werden sie gezielt hergestellt. Radioaktive Substanzen finden Anwendung u. a. in Radionuklidbatterien und -Heizelementen zur Energieversorgung in der Raumfahrt sowie in der Nuklearmedizin und Strahlentherapie. In der Archäologie nutzt man den radioaktiven Zerfall zur Altersbestimmung, beispielsweise mit der Radiokarbonmethode.
Abschirmung und Reichweite
α-Strahlung kann schon mit einem Blatt Papier, dünner Pappe oder durch Luft abgeschirmt werden. Zur Abschirmung von β−-Strahlung (Elektronen) werden dünne Schichten aus Plexiglas oder Blech verwendet, wobei Materialien mit geringer Ordnungszahl auf Grund geringerer auftretender Bremsstrahlung sich besser eignen. Zur Abschirmung von β+- und zugleich γ-Strahlung (siehe Annihilation) werden Materialien hoher Ordnungszahlen verwendet, z. B. Blei. Generell steigt die Reichweite ionisierender Strahlung mit ihrer Energie und fällt mit der Dichte des Abschirmmaterials. α-Strahlung der kinetischen Energie von 5 MeV hat in Luft eine Reichweite von 3,6 cm, dagegen in Gewebe nur 0,04 mm.[18][19] Hauptsächlich gibt ionisierende Strahlung Energie durch Stöße mit den Atomen des Abschirmmaterials ab, dabei werden Atome ionisiert oder angeregt, wodurch wiederum Sekundärelektronen und Röntgenstrahlung innerhalb des Abschirmmaterials entstehen.
Radioaktivität in der Umwelt
Radioaktivität in der Umwelt kommt teils natürlich (ohne Zutun des Menschen) vor, teils wird sie durch menschliche Tätigkeiten erzeugt. Natürlich vorkommende Radioaktivität sind die primordialen Radionuklide mit ihren Folgeprodukten sowie Nuklide, die durch die kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre erzeugt werden. Die menschlich verursachte Radioaktivität weist meist eine von der natürlichen abweichende Isotopenzusammensetzung auf, denn sie enthält auch kurzlebige, nicht in Zerfallsketten oder in Spallation-Prozessen entstehende Radionuklide.
Natürlich vorkommende Radioaktivität
Die primordialen Radionuklide stammen aus dem Material der Urerde und sind wegen ihrer großen Halbwertszeit heute noch vorhanden. Zu ihnen gehören das im menschlichen Körper stets enthaltene Kalium-40 und die als Kernbrennstoff wichtigen Isotope des Urans. Weitere Radionuklide entstehen indirekt als ständig nachproduzierte Zerfallsprodukte der radioaktiven Zerfallsreihen dieser primordiale Nuklide, wie das überall aus dem Erdboden austretende Gas Radon. Diese Nuklide bezeichnet man als radiogen. Weitere, sogenannte kosmogene Radionuklide werden laufend in der Atmosphäre durch Kernreaktionen mit der kosmischen Strahlung erzeugt. Zu ihnen gehört Kohlenstoff-14, der ebenso wie Kalium-40 durch den Stoffwechsel in alle Organismen gelangt.
Die Strahlung der überall vorhandenen natürlichen Radionuklide wird als Terrestrische Strahlung bezeichnet.
Vom Menschen erzeugte oder freigesetzte Radioaktivität
Schon lange vor Entdeckung der Radioaktivität wurden durch menschliche Tätigkeiten wie Bergbau und Kohleverbrennung radioaktive Stoffe freigesetzt. Paracelsus beschrieb 1567 die Schneeberger Krankheit. Metallerze und Kohle enthalten mehr Radionuklide als die durchschnittliche Biosphäre; Schachtanlagen befördern Radon aus dem Erdinnern an die Oberfläche.
Mit der Förderung von Uran, dem Bau von Kernkraftwerken und vor allem dem Bau und dem oberirdischen Test von Kernwaffen wurde Radioaktivät in die Biosphäre entlassen, die globale Auswirkungen hatte.
Große Mengen an radioaktiven Substanzen wurden (neben den Atomtests bis 1963) durch Unfälle kerntechnischer Anlagen frei. Am bekanntesten sind die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Nach 1990 wurde ebenfalls der Kyschtym-Unfall 1957 und die dabei ausgetretene Osturalspur bekannt.
Medizinische Anwendungen oder Materialuntersuchungen mit ionisierender Strahlung tragen nicht zur menschlich bedingten Radioaktivität bei. Soweit überhaupt radioaktive Stoffe genutzt werden, sind dies kurzlebige Nuklide in geringen Mengen, wie z. B. in der Positronenemissionstomographie.
Bestimmte langlebige Nuklide aus dem radioaktiven Abfall der Kernspaltung könnten künftig durch Transmutation in weniger aufwändig zu lagernde kurzlebigere Nuklide verwandelt werden.